Doch kein “Trainer-Ruhestand”

Rodenbacher Wurftrainer Michael Krause beim LAZ Bruchköbel für die Talente zuständig

Das Leichtathletikzentrum (LAZ) Bruchköbel hat mit Michael Krause einen neuen Trainer für die Disziplinen Kugelstoßen und Diskuswerfen. Der 59-Jährige, der nach seiner letzten Trainertätigkeit bei Eintracht Frankfurt eigentlich in den „Trainer-Ruhestand“ gehen wollte, betreut nun die talentierten Athleten Max Lang und Katja Seng in Bruchköbel.

„Das war so eigentlich nicht geplant“, erzählt er schmunzelnd. Und meint weiter: „Max Lang, den ich bereits bei Eintracht Frankfurt trainiert habe, wollte aber unbedingt, dass ich ihn weiter trainiere. Er hat mir dann angeboten, dass ich ihn in Bruchköbel trainieren könnte, damit ich es von meinem Wohnort Niederrodenbach nicht so weit habe. Da habe ich mich überreden lassen und zugestimmt.“

Der 23-jährige Lang weiß, was er an seinem Trainer hat. Immerhin gelang es ihm mit Krause, sich den Hessenmeistertitel im Kugelstoßen zu sichern. Und auch Seng hat viel Potenzial. Das bewies die 17-jährige Diskuswerferin unter anderem am ersten Maiwochenende, als sie beim Saisonauftakt in Frankfurt mit 48,12 Metern persönliche Bestleistung warf. Neben dem ersten Platz wurde die Führende der deutschen Bestenliste aus dem Jahrgang 2003 auch mit einer Einladung des Bundestrainers belohnt.

Doch der Erfolg kommt nicht von alleine. Dass seine beiden Aushängeschilder viel opfern müssen, weiß der Rodenbacher. „Die Athleten müssen dazu bereit sein. Es braucht mindestens sechs Trainingseinheiten in der Woche, um wirklich oben mit dabei zu sein. Neben Schule und Training bleibt da wenig Zeit für andere Dinge.“ So steht für die beiden auch in den anstehenden Sommermonaten Schwitzen im Kraftraum und Feilen an der Wurftechnik auf dem Programm, um Ende Juli gut vorbereitet und in Topform bei den deutschen Jugendmeisterschaften zu glänzen.

Der erfahrene Trainer hat selbst erst spät mit leistungsorientiertem Kugelstoßen angefangen. Zunächst hat er es mal mit Handball und Fußball versucht, ehe er sich mit 14 Jahren für Leichtathletik entschied. „Richtig mit professionellerem Kugelstoßen habe ich dann erst mit 20 begonnen. Das ist eigentlich viel zu spät. Heute werden die Talente mit 13 oder 14 Jahren gesichtet, um dann die Grundlagen aufzubauen“, erklärt er. Internate oder sonstige Förderprogramme? Davon konnte der ambitionierte Krause damals nur träumen.

Ganz im Gegenteil: Er ging als Jugendlicher selbst in die Bücherei und versuchte, sich mit Hilfe einer Lehrbuchreihe des damaligen russischen Weltrekordhalters im Kugelstoßen, Alexander Baryschnikow, die Wurftechnik beizubringen. Heute scheint das unvorstellbar. Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern gibt es einige professionelle Sportinternate, die Kugelstoßern eine hervorragende Grundausbildung ermöglichen. Nicht ohne Grund kommt mit David Storl der erste deutsche Kugelstoß-Weltmeister aus Sachsen. Im Westen steckt da vieles noch in den Kinderschuhen. Doch man holt auf.

Der gebürtige Frankfurter trat in seiner aktiven Zeit mit der für damalige Verhältnisse sehr ungewöhnlichen Drehstoßtechnik an. Krause ist sich sicher, dass er ohne diese Technik niemals seinen persönlichen Rekord von 17,84 Metern hätte stoßen können. Damit gehörte er seinerzeit zu den zehn besten Kugelstoßern Deutschlands. Und das trotz seiner in „Kugelstoßer-Kreisen“ eher geringen Körpergröße von 1,78 Metern.

In den 90er Jahren hat sich das Leben des zielstrebigen Athleten schlagartig verändert. Erst hat ihn die Liebe zu seiner ebenfalls vom Wurfsport begeisterten Frau nach Rodenbach verschlagen und kurz darauf hat seine Karriere als Trainer Fahrt aufgenommen. „In Rodenbach herrschte Trainernotstand. Und ich kannte einen kleinen Jungen, der unbedingt mit Hammerwerfen anfangen wollte. Ich wollte ihm helfen und habe beschlossen, ihn zu trainieren. Das Problem war, dass wir beide keine Ahnung vom Hammerwerfen hatten. Das ist eine ganz andere Technik als beim Kugelstoßen. Aber irgendwie haben wir uns beide reingefuchst und es lief immer besser“, erinnert sich der Medizintechniker. Letztendlich schafften sie es bis ins Finale bei den Deutschen Meisterschaften.

Krause hatte Blut geleckt und das Trainerdasein für sich entdeckt. Mit seiner Frau und der Leichtathletikabteilung der TGS Niederrodenbach baute er eine Wurfabteilung im Verein auf. Kugelstoß- und Diskuswurfanlage sowie Kraftraum wurden errichtet. Dazu entwickelte Krause eigene Trainingspläne. Das Konzept hatte Erfolg: 2013 bestand seine Trainingsgruppe aus vier Bundeskaderathleten.

Rückblickend bezeichnet er diese Phase als „die erfolgreichste Zeit“ in seiner Trainerkarriere. Mit dem Erfolg zog er auch die Aufmerksamkeit des Hessischen Leichtathletik-Verbandes auf sich. Dort übernahm er dann den Landesstützpunkt für Kugelstoßen und Diskuswerfen, ehe er als Trainer zu Eintracht Frankfurt wechselte.

Nach einigen Jahren bei der Eintracht, für die er auch weiter beratend tätig ist, freute sich der Harley-Davidson-Fan im Herbst 2020 schon auf seinen „Trainer-Ruhestand“. Doch das Motorrad muss erst mal in der Garage bleiben. Denn in Bruchköbel wartet nun die nächste Aufgabe für Wurftrainer Michael Krause.

 

Quelle: Hanauer Anzeiger vom 11.Juni 2021

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